Impulsvorträge “Tutorielle Unterstützung bei Schreib-, Lern- und Arbeitstechniken"

Workshopleitung: 

Datum: Freitag, 17. 5. 2019 10:30-12:00 Uhr

Raum: S103/271



Impulsvortrag 1: Die Ausbildung von Peertutor*innen in der Schreibwerkstatt des Staufer Studienmodells der PH Schwäbisch Gmünd

Vortragende*r: Lisa Laber, PH Schwäbisch Gmünd

Abstract:

Das Staufer Studienmodell (SSM) der Pädagogischen Hochschule in Schwäbisch Gmünd ist ein innovatives, studiengangsübergreifendes Konzept zur Unterstützung selbstgesteuerter Lernprozesse sowie zur Entwicklung fächerübergreifender Schlüsselqualifikationen. 

Ein zentraler Bestandteil dieses seit 2012 geförderten QPL-Projekts ist die tutorielle Lehre und Beratung organisiert in der spezifischen Struktur dreier Lernwerkstätten.

Studierende werden dort durch (Beratungs-)Gespräche, Feedback und Kompetenzworkshops von ausgebildeten Peertutor*innen rund um das wissenschaftliche Forschen, Arbeiten und Schreiben sowie im Umgang mit Medien bei ihren individuellen Lernprozessen begleitet und bei Bedarf unterstützt.

Unter Berücksichtigung der prozessorientierten Schreibdidaktik und personenzentrierter Beratung wird insbesondere in der Schreibwerkstatt das Motto „Hilfe zur Selbsthilfe“ forciert um den Studierenden Selbstwirksamkeitserfahrungen zu ermöglichen und auf Augenhöhe, mit klarer Verantwortungszuständigkeit, kommunizieren zu können. 

In den überwiegend non- direktiven Beratungssituationen sind die gemeinsame Entwicklung von Handlungskonzepten, das Aushandeln von Rollen, Perspektivenübernahme sowie der Umgang mit unterschiedlichen Differenzerfahrungen unvermeidlich.

Um den heterogenen Studier-,Lern- und Schreibtypen in einem Gespräch über deren Schreib-und Arbeitsprozess professionell begegnen zu können, werden die Peer-Schreibtutor*innen über zwei Semester in grundlegenden Beratungs- und Kommunikationsansätzen sowie schreibdidaktischer Theorie und Praxis in einer Schreibberater*innen –Ausbildung geschult.

Die Ausbildung mit einen hohen Anteil von Eigenaktivität und experimentellen Probehandeln hat das Bestreben eine professionelle Haltung der Peer-Schreibtutor*innen zu etablieren. Selbstreflexion und Selbsterfahrungsdokumentation eigener Interaktions-, Schreib- und Leseprozesse sowie die damit verbundene Vergegenwärtigung von Strategien und Lösungsansätzen sind zentrale Elemente. Ferner werden die Aufgaben von Peer-Schreibtutor*innen hinsichtlich der heterogenen Zielgruppe, Phasen im Schreibprozess sowie Textgenres und Herausforderungen im akademischen Kontext im kooperativen Miteinander in der Ausbildung erarbeitet.

In dem Beitrag soll die Schreibwerkstatt, in der mittels Peer-to-Peer-Interaktion individuelle Lern- und Arbeitsprozesse gestaltet, reflektiert und optimiert werden können, in ihrer Organisationsform beleuchtet werden. Ergänzend wird die konzeptionelle Zielsetzungen der Ausbildung sowie darin enthaltenen Chancen und Grenzen der Peer-to-Peer- Interaktion skizziert.



Impulsvortrag 2: Förderung der literalen Kompetenzen durch Einsatz von Tutor*innen in der juristischen Arbeitstechnik

Vortragende*r: Lars Gußen, Goethe-Universität Frankfurt am Main

Abstract:

Im Rahmen des Qualitätspakt-Lehre-Programms „Starker Start ins Studium“ wurde im Fachbereich Rechtswissenschaft ein breit angelegtes Informations- und Unterstützungsprogramm mit unterschiedlichen Tutorienformaten zur Optimierung des Studieneinstiegs aufgebaut. Parallel wurde eine zu den verschiedenen Einsatzformen passende, fachbereichseigene Tutoring-/Mentoring- Qualifizierung neu konzipiert und modular strukturiert.

Der Vortrag erläutert in Teil 1 schwerpunktmäßig die verschiedenen Tutorienformate und die Aufgabenbereiche der Tutor*innen. Teil 2 geht dann kurz auf die Qualifizierungsmaßnahmen ein, die für die verschiedenen Einsatzszenarien angeboten werden.

Fachtutorien – vorlesungsergänzende Übungsveranstaltungen

Tutorien allgemein sind in der Rechtswissenschaft als typisches Lehr-/Lernformat etabliert. Zum Großteil der Vorlesungen finden begleitende Tutorien statt. Schwerpunkt dieses Formats ist die angeleitete Übung und Vertiefung des Inputs aus der jeweiligen Vorlesungen (meist Hörsaal- Großveranstaltungen) in kleineren Gruppen.

Mentoring & Fachstudienberatung

In Frankfurt werden Studienanfänger in der Rechtswissenschaft während der viertägigen Orientierungswoche durchgängig und während des ersten Semesters als Ansprechpartner*innen von Mentor*innen unterstützt. Schwerpunkte hier sind Studienstartinformationen, Studienorientierung, Aspekte der Heterogenität sowie der Akkulturation der Anfänger*innen ins Fach.

Als weitere Anlaufstelle für Studienanfänger*innen dient die Fachstudienberatung, in der ebenfalls studentische Tutor*innen/Mentor*innen zum Einsatz kommen.

Tutorien zur Juristischen Arbeitstechnik und Förderung der Schreibkompetenz

Darüber hinaus werden zu verschiedenen Veranstaltungen aus dem Bereich „Juristische Arbeitstechnik“ ergänzende Sonderformate von Tutorien angeboten. Schwerpunkte sind hier die Heterogenität der Lernvoraussetzungen und die individuelle Förderung der Schreibkompetenz der Studierenden.

  • Spezielle Unterstützungstutorien zur juristischen Arbeitstechnik für internationale Studierende (Schwerpunkt Heterogenität)
  • Studentische Berater*innen im „Beratungscafé Hausarbeiten“ (juristische Schreibberatung) Hier können Studierende sich in einem offenen Beratungsformat an drei Tagen während der laufenden Hausarbeitsphase individuell beraten lassen. Hier kommen neben wissenschaftlichen Mitarbeiter*innen vorrangig studentische Tutor*innen in der Einzelberatung zum Einsatz.

Qualifizierung der Tutor*innen und Mentor*innen

Zur Vorbereitung auf die o.g. Formate bietet der Fachbereich ein modular aufgebautes Qualifizierungsprogramm an. Die Module/Bausteine sind an den jeweiligen Bedarfen und Einsatzszenarien der Tutor*innen und Mentor*innen orientiert. Der Vortrag erläutert dies überblicksartig:

  • Mentoringworkshop (4-tägig) für Mentor*innen und die studentischen Fachstudienberater*innen oder
  • Tutoring-Basisworkshop (2-tägig) für Tutor*innen ohne oder mit wenig Lehrerfahrung
  • Tutoring-Vertiefungsworkshop (2-tägig) für fortgeschrittene Tutor*innen mit erster Lehrerfahrung plus ggf.
  • Beratungscoaching (Kurzworkshop) Ergänzung für Tutor*innen zur Beratung der internationalen Studierenden und für die studentischen Berater*innen des Beratungscafés
  • Workshops zu Schreibdidaktik und Schreibberatung (in Zusammenarbeit mit dem Schreibzentrum der Universität) für die studentischen Berater*innen des Beratungscafés

Die Qualifizierungsmaßnahmen vermitteln allgemein hochschuldidaktische Kompetenzen mit Bezug zur Rechtswissenschaft zu. So erwerben die Tutor*innen und Mentor*innen Kompetenzen, die auch ihrer eigenen Ausbildung zugutekommen und u.a. auch als „Schlüsselqualifikation“ vom Justizprüfungsamt (Examensvoraussetzung) anerkannt sind.



Impulvortrag 3: „Das bringt doch eh nichts“ – Gelingensvoraussetzungen für eine heterogenitätsreflektierte tutorielle Lernbegleitung

Vortragende*r: Joanna Hellweg und Patrick Müller, Universität Paderborn

Abstract:

Der Bedarf an Beratung und individueller Lernbegleitung an Hochschulen, ist nicht zuletzt durch die wachsende Heterogenität der Studierenden, in den letzten Jahren deutlich gestiegen. An der Universität Paderborn wurden deshalb im Rahmen des Programms „Heterogenität als Chance“ Maßnahmen für eine individuelle Begleitung und Unterstützung der Studierenden im gesamten Studienverlauf entwickelt. In unterschiedlichen Fachbereichen entstanden u. a. Lernzentren, die Studierende bei der Bewältigung von fachlichen Anforderungen individuell begleiten und unterstützen. Eines dieser Lernzentren ist das Lernzentrum Ernährung, Konsum und Gesundheit (LEKG). Es wurde im Wintersemester 2011/12 im Institut für Ernährung, Konsum und Gesundheit als außercurriculare Unterstützungseinrichtung eingerichtet. Das LEKG verfolgt das Ziel, Studierenden im Fach Hauswirtschaft durch die Bereitstellung von fachintern entwickelten Unterstützungsmaßnahmen die Bewältigung von fachlichen Anforderungen zu erleichtern. Diese Unterstützung erfolgt in Form von individuellen Lernbegleitungsgesprächen, Tutorien und Workshops, die von studentischen Tutor*innen als semi-professionelle Lernbegleiter*innen durchgeführt werden. Der Schwerpunkt liegt hier auf den fachdidaktischen Unterstützungsangeboten, um Studierende auf ihre zukünftige Profession als Lehrpersonen bestmöglich vorzubereiten. Das LEKG fungiert somit als fachinterne soziale Ressource und bietet ein Unterstützungspotenzial, auf das Studierende bei der Bewältigung von fachspezifischen Lern- und Leistungsanforderungen zurückgreifen können. 

Die seit Wintersemester 2011/12 stattfindenden Evaluationen des LEKG bestätigen den hohen, positiven Nutzen dieser Angebote für Studierende. Problematisch erscheint jedoch die Tatsache, dass trotz des größten Unterstützungspotenzials im Bereich der Fachdidaktik eine hohe Abmeldungsquote von diesen Prüfungen verzeichnet wird. Diese betrifft laut einer Umfrage des LEKG überwiegend Studierende, die die prüfungsvorbereitenden Angebote des LEKG nicht in Anspruch nehmen. Die Gründe dafür können unterschiedlicher Natur sein. Ein wichtiger Grund ist sicherlich in der individuellen Wahrnehmung, Bewertung und Bewältigung von Stresssituationen zu sehen. Die persönliche Überzeugung von fehlenden Handlungsoptionen zur Bewältigung von Anforderungen, kann somit den Zugriff auf externe Ressourcen verhindern. Das Gleiche trifft zu, wenn die Mobilisierung externer Unterstützung individuell als zwecklos erscheint („Das bringt eh nichts“) oder durch negative, selbstgezogene Annahmen begleitet wird (z. B. „Mit meinem Problem kann ich keine Beratung in Anspruch nehmen“, „Jemanden um Hilfe zu bitten, ist ein Zeichen von Schwäche und Versagen“) (vgl. Hornung, 1999). Besonders die individuellen Dispositionen und generalisierten Überzeugungen eines Individuums sind häufig für solche Bewertungen maßgebend und können das Bewältigungsverhalten beeinflussen. 

Zu diesen dispositionsähnlichen Ressourcen gehört u. a. das Kohärenzgefühl (sense of coherence (SOC)) von Aaron Antonovsky. Es handelt sich dabei um eine subjektive Grundeinstellung eines Individuums gegenüber unvorhergesehenen oder belastenden Situationen. Das Kohärenzgefühl entwickelt sich vor allem in der Interaktion eines Individuums mit seiner sozialen Umwelt. Die sozialen Beziehungen (das Sozialkapital) können deswegen als Vorbedingung für soziale Unterstützung betrachtet werden und entscheiden maßgeblich über deren Wahrnehmung und Erwartung (vgl. Hartung, 2011). Demnach sind die Vorerfahrungen eines Individuums mit sozialen Beziehungen ausschlaggebend für die Entwicklung des SOC und können möglicherweise die Mobilisierung und Inanspruchnahme sozialer Ressourcen im Studium beeinflussen. 

Die Ergebnisse der vom LEKG durchgeführten Studie zum Kohärenzgefühl als persönliche Ressource der Studierenden bei der Mobilisierung sozialer Unterstützung im Studium liefert hierzu interessante Erkenntnisse, die zur vertieften Diskussion über den Nutzen von heterogenitätsorientierten Supporteinrichtungen und über die damit verbundene Problematik einladen.

© Dr. Guido Roessling 2018