Impulsvorträge "Tutorielle Betreuung von Laboren und Ateliers"

Datum: Donnerstag, 16. 5. 2019 15:45-16:45 Uhr

RaumS103/271



Impulvortrag 1: PASS(T!)genaues Tutorium in der Chemie

Vortragende*r: Lena Harwardt, Universität Ulm 

Abstract:

Studiert man eines der chemischen oder chemienahen Fächer, so startet man im ersten Fachsemester mit den Inhalten der Allgemeinen Chemie. Die rund 350 Studierenden dort unterscheiden sich nicht nur hinsichtlich des Studiengangs, sondern auch bezüglich der Vorkenntnisse innerhalb chemischer Inhalte, der Motivation und der Auffassungsgabe. Im Rahmen der Vorlesung und des Seminars ist es nur bedingt möglich diese Heterogenität zu nivellieren. 

Idee war, mithilfe von bedarfsgerechten Tutorien die unterschiedlichen Wissensstände der Studierenden aufzufangen und zu fördern. Dadurch sollte die Qualität der Lehre gesteigert werden. Solche qualitativen und quantitativen Verbesserungen wurden bereits in einigen Studien aufgezeichnet.

Im WiSe 2017/18 wurden zum ersten Mal den Chemie- und Wirtschaftschemie-Studenten individuell angepasste Tutorien angeboten. Im WiSe 2018/19 wurde das Angebot auf alle Teilnehmer des Modules „Allgemeine Chemie“ ausgeweitet. 

Die Gruppeneinteilung erfolgte anhand der Ergebnisse einer verpflichtenden Eingangsprüfung. Dabei handelte es sich um eine elektronische Prüfung unter Nutzung der eLearning Plattform moodle. Die Aufgaben dieser Prüfung beinhalteten Fragen zu den Themen der Allgemeinen Chemie, die erfahrungsgemäß am meisten Probleme bereiten. Zudem wurden die Fragen so konzipiert und implementiert, dass jeder Teilnehmende zwar die gleichen Aufgaben bekam, jedoch mit unterschiedlichen Variablen, wie z.B.: Ordnen Sie der folgenden Formel die entsprechende systematische Bezeichnung zu und bestimmen Sie die molare Masse der Verbindung: Variante a: KCl; Variante b: NaNO3 usw.

Die Studierenden wurden nun entsprechend ihrer Vorkenntnisse Tutoriengruppen eingeteilt mit einer maximalen Teilnehmerzahl von 15. Durch eine solche Einteilung sollte mehr Homogenität in Bezug auf Vorwissen innerhalb einer Gruppe erreicht werden. Dies setzt meist die Hemmschwelle für eine aktive Teilnahme (z.B. Fragestellung) herab. Die Teilnehmer konnten jedoch die Gruppe wechseln, um für sich eine optimale Lernumgebung zu finden. 

Den Schwerpunkt der Tutorien bildeten in der Vorlesung besprochene Themen. Darüber hinaus wurden weitere fachliche Defizite in den vorangehenden Seminaren weiter eruiert und ebenso in das jeweilige Tutorium aufgenommen und behandelt. Die Form der Tutorien wurde stets nach den Bedürfnissen der Teilnehmer adoptiert: es fanden frontale, vorlesungsähnliche Erklärungen, Diskussionen, Gruppenarbeit etc. statt. Weiterhin boten alle Tutorien Freiraum für individuelle Fragen – inhaltliche, organisatorische, sowie lernstrategische. 

Ziel unseres kompetenzorientierten Tutoriums ist es zum Einem die Teilnehmer optimal zu unterstützen das noch fehlendes chemisches Basiswissen in kurzer Zeit zu erwerben und zum Anderen sich effizient mit den neuen komplexeren Inhalten der Allgemeinen Chemie auseinanderzusetzen. Demzufolge müssen die Tutoren – studentische Hilfskräfte – neben den sehr hohen fachlichen Kompetenzen auch sehr gute pädagogische Eignung mitbringen. Aus diesem Grund wurden die Tutoren kontinuierlich begleitet um insbesondere deren pädagogisches und didaktisches Können zu optimieren. Zudem wurde den Tutoren ein Aufgabenpool zur Verfügung gestellt. Dieser beinhaltete nach den Vorlesungsthemen sortierte Aufgaben mit unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden – angefangen von der Berechnung der molekularen Masse bis zu prüfungsähnlichen Aufgaben mit komplexen Sachverhalten. Die meisten Aufgaben beinhalten einen detaillierten Lösungsweg inkl. Fragen, die den Teilnehmer zur Lösung führen. So konnte jeder Tutor passende Aufgaben aussuchen und diese mit der Gruppe besprechen. 

Die im WiSe 2017/18 angebotenen kompetenzorientierten Tutorien erlangten eine sehr positive Rückmeldung seitens der Teilnehmer. Ebenso konnte gezeigt werden, dass eine regelmäßige Teilnahme an den Tutorien einen deutlich höheren Wissenszuwachs ermöglicht, insbesondere bei den Teilnehmern mit lückenhaftem Chemiebasiswissen.

Literatur:

  • Auferkorte-Michaelis N., Linde F. (Hrsg.), Diversität lernen und lehren – ein Hochschulbuch. Berlin: Verlag Barbara Budrich, 2018.
  • Hattie J., Lernen sichtbar machen, 3. Auflage, Baltmannsweiler: Schneider Hohengehren, 2015.
  • Hempel A., Seidl T., van Genuchten E., (2016) Erhebung des Einsatzes von Tutorinnen und Tutoren als Grundlage für zielgerichtete Organisationsentwicklung, Die Hochschullehre, Jg. 2, Nr. 1, 2016.
  • Kröpke H., Ladwig A., (Hrsg.), Tutorienarbeit im Diskurs. Qualifizierung für die Zukunft. Berlin: Lit.Verlag, 2013.
  • Szczyrba B., Wiemer M. (2011) Forschungsfeld Tutorien: vom Nachhilfebetrieb zum Motor guter Lehre an Hochschulen, Zeitschrift für Hochschulentwicklung ZFHE, Jg.6, Nr.3, 2011.


Impulsvortrag 2: Lehrformate und Tutorien am Fachbereich Architektur

Vortragende*r: Biljana Stefanovska, TU Darmstadt

Abstract:

Die Herausforderungen und Besonderheiten einer guten Lehre am Fachbereich Architektur. Dabei spielt die Tutorielle Lehre eine große Rolle und sowohl deren Potentiale als auch Grenzen sollten detaillierter untersucht werden. Das steht im Zusammenhang mit den Lehrformaten und dem, wie die Tutor*innen eingesetzt werden, beispielsweise:

  • Unterstützung beim Fertigkeiten erlernen (z. B. Gestaltung und Darstellung, aber auch architektonische Darstellung, Modellbau, anteilig bei Tragwerkslehre usw.)
  • Methodik und Wissensaneignung (Unterstützung bei Erstellen von Präsentationen, Referaten, Grundlagen zum wissenschaftlichen Arbeiten, Grundlagenvermittlung bei Stadt- und Regionalplanung,)
  • Begleitung von kreativen Prozessen (hauptsächlich bei Entwurfsübungen, aber anteilig bei fast allen Lehrveranstaltungen)

Letzteres ist eine sehr anspruchsvolle Aufgabe, die Teil der meisten Lehrveranstaltungen ist, und sie lässt sich nicht scharf von den anderen Anteilen der häufig komplexen Aufgaben trennen. Ein anderer sehr wichtiger Aspekt sind die Bewertungskriterien von Arbeiten, die mehrschichtig und komplex sind. Architektur ist keine exakte Disziplin und zu derer Bewertungskriterien gehören sowohl „harte“ als auch „qualitative“ Kriterien. Ihr missverständliches Vermitteln kann zu hohen Motivationsverlusten bei Studierenden führen und sie in ihrem individuellen eigenständigen Studieren hemmen. Die Bandbreite von unterschiedlichen Ansätzen in Entwürfen kann anhand von einigen Beispielen stichpunktartig verdeutlicht werden.

Folgende Themen sind in der Tutor*innenausbildung am Fachbereich Architektur neben andere didaktische Themen zu berücksichtigen:

  • Vermittlung der Aufgabenanforderungen und Bewertungskriterien durch Tutor*innen (Differenzieren zwischen „harten“ und „qualitativen“ Kriterien
  • Konstruktive Rückmeldung zu Studienarbeiten (unter Berücksichtigung von Diversität im Hinblick auf unterschiedliche Kreativitätsprozesse)
  • spezifische Lehrformate und deren Anforderungen an die Betreuung (durch Tutor*innen, WiMis, Professor*innen, Lehrbeauftragte)

In der Basisqualifizierung werden spezifische Situationen bei der Betreuung von Entwürfen reflektiert und besprochen. In der Prozessbegleitung wird ebenfalls auf die genannten Aspekte geachtet.

Zum ersten Thema habe ich einen Kurzvortrag beim „Interdisziplinären Austauschtreffen -Tutorielle Lehre“ gehalten, das ich für die Tagung etwas vertiefen kann. Für Personen aus anderen Fachbereichen oder der HDA wurde die Komplexität der Bewertung deutlicher als beispielsweise gefragt wurde, was eine gute Erschließung ist. Es gibt eben nicht DIE gute Erschließung, sie muss mit dem Konzept und dem Gesamtentwurf stimmig sein, und eine Rückmeldung dazu kann nicht allgemein sein, oder nur anteilig. Selbst dieses Kriterium hat „harte“ und „qualitative“ Anteile (Treppenkonstruktion, Abstände, Breiten, also das Einhalten von Regeln, dazu aber die Stimmigkeit zum Konzept, Raumökonomie, Atmosphäre, Lichtführung usw., also auch architektonische Qualitäten). Es geht dabei um den effizienten Einsatz von Tutor*innen, um die (ohnehin knappen) zeitlichen/personellen Ressourcen der Lehrenden ebenfalls effektiver nutzen zu können (auf einem höheren Wissens-/Fertigkeits-/…-Niveau, die individuelle Betreuung vertiefend).

© Dr. Guido Roessling 2018