Impulsvorträge “Tutorielle Betreuung von interdisziplinären Projekten"

Workshopleitung: 

Datum: Freitag, 17. 5. 2019 10:30-12:00 Uhr

Raum: S103/126



Impulvortrag 1: GPEK - ein dynamisches Lernfeld für Tutor*innen

Vortragende*r: Sevim Dylong, TU Darmstadt

Abstract:

Das seit 2009 bestehende QSL-Projekt „Lernen durch Lehren V“ des Praxislabors, angebunden an das Institut für Allgemeine Pädagogik und Berufspädagogik der Technischen Universität Darmstadt, verfolgt das Ziel, durch die Qualifizierung und Begleitung von Tutor*innen die Studieneingangsphase von Studierenden zu verbessern. In diesem Rahmen offeriert das Projekt „Lernen durch Lehren V“ interessierten Instituten und Einrichtungen der Technischen Universität Darmstadt bedarfsorientierte Unterstützungsangebote. Die aktuell bestehenden Kooperationen mit unterschiedlichen Fachbereichen zeigen dabei einerseits die Vielfältigkeit der Einsatzmöglichkeiten von Tutor*innen, die von klassischen Arbeits- und Übungstutorien bis hin zur Begleitung von Projektgruppen reichen und andererseits die vielseitigen Rollenbilder und Funktionen der Tutor*innen, die aufgrund der flexiblen Ausrichtung einen bedeutenden Beitrag zur Verbesserung der Qualität der Hochschullehre und zu verbesserten Studienbedingungen leisten. 

Im Rahmen des Vortrags rückt das interdisziplinäre Studienprojekt „GPEK -Grundlagen des Planens, Entwerfens und Konstruierens“ des Fachbereichs Bau- und Umweltingenieurwissenschaften im Kontext der tutoriellen Arbeit in den Fokus. 

Das seit 1979 bestehende Studienprojekt gestaltet sich in Form eines Projektplanspiels und ermöglicht seit 2011 rund 600 Erstsemestern aus vorwiegend ingenieurwissenschaftlichen aber auch pädagogischen und psychologischen Fachdisziplinen das Arbeiten in interdisziplinären Projektteams. Ziel des Projektes ist es, ein fiktives aber authentisches städtebauliches Vorhaben für ein Baugebiet weitgehend selbständig und unter Berücksichtigung fachlicher, gesellschaftlicher und sozialer Aspekte planerisch und gestalterisch umzusetzen. Für die Realisierung arbeiten die Studierenden in bis zu 40 Arbeitsteams, die jeweils bis zu 15 Studierenden umfassen. Innerhalb der einzelnen Projektgruppen erhält jede*r Student*in eine Fachrolle zugewiesen und erhält in sog. Facharbeitstreffen (FAT) von Fachmentor*innen der kooperierenden Fachbereiche fachrollenspezifischen, fachlichen Input, der zur Weiterarbeit in den Projektgruppensitzungen reflektiert und berücksichtigt werden soll. Die Komplexität der Aufgabe kennzeichnet sich neben einem hohen Anteil an eigenverantwortlichen Planungs- und Arbeitsprozessen auch durch Herausforderungen, die sich vor dem Hintergrund des Einfindens in die jeweilige Fachdisziplin aber auch der Entwicklung eines interdisziplinären Teams ergeben. Nicht selten hat dies für die Studierenden Überforderungscharakter, der durchaus erwünscht ist. Durch diesen wird erlebbar, dass sich das Projekt neben fachlichen Anforderungen nur durch das effektive Zusammenwirken der Fachrollen und einem hohen Grad an selbständigem Arbeiten zu einem erfolgreichen Abschluss bringen lässt. Zur Unterstützung des Arbeitsprozesses, begleiten GPEK-Tutor*innen die wöchentlich stattfindenden Projektgruppensitzungen. Die besondere Rolle der GPEK-Tutor*innen und deren Einbindung im Projektgeschehen soll im Rahmen des Vortrags näher vorgestellt werden. 

Darauf aufbauend wird der Blick auf die tutorielle Qualifizierung und Begleitung gerichtet, die im Rahmen der Kooperation des Projektes „Lernen durch Lehren“ und dem Fachbereich Bau- und Umweltingenieurwissenschaften bedarfsgerecht und an die Spezifika von GPEK orientiert durchgeführt wird. Darüber hinaus fließen subjektive Perspektiven der Tutor*innen ein und geben Einblicke in die Erfahrungen und konkreten Handlungs- und Umgangsweisen der interdisziplinären Teambegleitung sowie typischen Herausforderungen. Des Weiteren soll der Frage nach individuellen Lernpotenzialen und Entwicklungsmöglichkeiten in der Arbeit als GPEK Tutor*in nachgegangen werden.

Interessierten Zuhörer*innen bietet der Vortrag praxisnahe Anregungen für die Gestaltung und Durchführung tutorieller Qualifizierungsprozesse in interdisziplinären Studienprojekten. 



Impulsvortrag 2: Peer-Begleitung heterogener Studierendenteams. Interdisziplinäre Kompetenzentwicklung im Tutor*innentraining des Projekts kompass an der Hochschule Mannheim

Vortragende*r: Leonie Trefs und Matthias Bandtel, Hochschule Mannheim

Abstract:

Die Heterogenität unter Studierenden nimmt in Deutschland zu. An Hochschulen für angewandte Wissenschaften (ehemalige Fachhochschulen) ist sie mit Blick auf die Vielfalt unterschiedlicher Zugangsvoraussetzungen, berufliche Vorerfahrungen und Altersstruktur gar noch stärker ausgeprägt als an Universitäten. Durch Migration und Flucht gewinnen ethnische, kulturelle und religiöse Heterogenitätsdimensionen an Salienz. Mit der wachsenden Heterogenität der Studierendenschaft gehen für Hochschulen einige Herausforderungen einher, wie die Gewährleistung bedarfsgerechter Beratungs- und individueller Betreuungsangebote. Vor allem jedoch wohnen einer ausgeprägten Heterogenität große Potentiale für ein gemeinsames Lernen mit- und voneinander inne.

Peer-to-Peer Lehr-Lernarrangements eignen sich in besonderer Weise, Heterogenität und Diversity als Chance erfahrbar machen. Wesentlicher Gelingensfaktor hierfür ist ein kompetenzorientiertes Qualifizierungsprogramm, das studentische Tutor*innen in die Lage versetzt, in der Begleitung heterogener Teams situationsbezogen handlungsfähig zu sein.

An der Hochschule Mannheim widmet sich das Projekt kompass der Sensibilisierung von Studierenden für Heterogenität und Diversity. Im Format der interdisziplinären Projektarbeit werden Studierende aller 22 Bachelor-Programme Kleingruppen zugeteilt, die nach Fachzugehörigkeit, Geschlecht und internationalem Hintergrund durchmischt sind. In heterogenen Teams arbeiten sie ein Semester lang gemeinsam an einer aktuellen Themenstellung. Dabei werden sie von Tutor*innen begleitet, die gruppendynamische Prozesse moderieren, Kommunikation und Reflexion über fachkulturelle Gemeinsamkeiten und Idiosynkrasien stimulieren sowie zur Selbstorganisation motivieren. Auf diese verantwortungsvollen Aufgaben werden die studentischen Tutor*innen in einem viertägigen hochschuldidaktischen Qualifizierungsprogramm vorbereitet.

Im Mittelpunkt des vorgeschlagenen Impulsvortrags steht die Frage, auf welche Art und Weise bei der Qualifizierung von Tutor*innen die für die Peer-Begleitung heterogener Studierendenteams notwendigen Werkzeuge vermittelt und Kompetenzen gefördert werden können. Mit besonderem Fokus auf die Heterogenität unterschiedlicher Fachkulturen reflektiert der Vortrag die Voraussetzungen für interdisziplinäre Zusammenarbeit in heterogenen Teams und stößt die Diskussion über Gestaltungsmöglichkeiten von Lehr-Lernarrangements zur Entwicklung interdisziplinärer Kompetenzen im hochschulischen Kontext an. 

Der Impulsvortrag ist zweigeteilt: Zunächst wird eine analytische Perspektive an aktuelle hochschuldidaktische Diskurse über Disziplinarität, Interdisziplinarität, Kompetenz und interdisziplinäre Kompetenzen sowie Kompetenzentwicklung und Peer-Learning angelegt. Aus der systematischen Auseinandersetzung mit theoretischen Grundlagen werden Erfolgskriterien für Erwerb und Ausbau interdisziplinärer Kompetenzen in der Peer-Begleitung heterogener Studierendenteams abgeleitet.

Darauf aufbauend wird die praktische Perspektive eingenommen: Am Fallbeispiel des Projekts kompass an der Hochschule Mannheim wird illustriert, durch welche Maßnahmen das Tutor*innentraining dazu beiträgt, Studierenden den Erwerb und Ausbau interdisziplinärer Kompetenzen zu ermöglichen. Dabei werden sowohl erfolgversprechende Ansätze vorgestellt als auch Optimierungspotentiale offen gelegt.

Abschließend werden Handlungsempfehlungen für Konzeption und Weiterentwicklung interdisziplinärer Peer-to-Peer Lehr-Lern-Formate zur Diskussion gestellt. In der hochschulischen Praxis können diese Lehrenden und Lernenden zu Angeboten mit dem Ziel der interdisziplinären Kompetenzentwicklung Orientierung bieten. Nicht zuletzt möchte der Vortrag einen Beitrag zur weiteren Verständigung über zentrale hochschuldidaktische Konzepte „Interdisziplinarität“ und „Kompetenz“ in der tutoriellen Lehre leisten.



Impulsvortrag 3: Chancen der Integration von Design Thinking-Elementen in die Qualifizierung von Projekttutor.innen: Steigerung des Kreativitätspotentials im Rahmen der Studieneingangsprojektwoche am Fachbereich BAU der THM

Vortragende*r: Meike Hölscher und Stefanie Hillesheim, Technische Hochschule Mittelhessen

Abstract:

Seit 2013 findet am Fachbereich Bauwesen (BAU) die Studieneingangsprojektwoche (SEPW) statt, bei der Zweitsemester der Studiengänge Bauingenieurwesen und Architektur in Zehnerteams komplexen, fachspezifischen Problemen gegenüberstehen. Die bis zu 30 Teams entwickeln innerhalb von 4 Tagen Lösungen, die dann einer Fachjury (Mitarbeiter.innen und Professor.innen des Fachbereichs) und den Kommiliton.innen präsentiert werden. Ein Team aus hochschuldidaktischen Mitarbeiter.innen vom Zentrum für Kooperatives Lehren und Lernen der THM (ZeKoLL) entwickelt das Konzept gemeinsam mit Akteur.innen des Fachbereichs kontinuierlich weiter und ist für die Ausbildung und Begleitung der Projekttutor.innen zuständig. Möglich wurde diese intensive Begleitung durch das KiM QPL Projekt an der THM. Vor allem die Studienprojekte der TU Darmstadt dienten als konzeptionelles Vorbild für das Design der Studieneingangsprojektwoche (Dirsch-Weigand & Hampe 2018). 

Die Studierendenteams des FB Bau arbeiten unter hohem Zeitdruck an der Entwicklung von Prototypen (z.B. im WiSe 18/19: Entwürfe für studentische Arbeitsplätze der Zukunft am eigenen Campus) und müssen sich während der Woche nicht nur den fachlichen und projekttypischen Ansprüchen stellen, sondern auch die soziale Herausforderung meistern, in einem per Zufall zusammengesetzten Team schnell arbeitsfähig zu werden. 

Die Hauptaufgabe der Tutor.innen ist es, die Teams am ersten Tag mit dem Prozess der Lösungsentwicklung vertraut zu machen, sie anzuleiten und teamarbeitsfähig zu machen und sie im Nachgang als motivationale Begleiter.innen zu unterstützen. Als methodischer Hintergrund diente bislang vorrangig der Ansatz des Problem-Based Learning (PBL). Zum ersten Mal wurden in diesem Jahr verstärkt Elemente des Design Thinking integriert. Eine Methode, die von Unternehmen weltweit im Bereich Innovationsentwicklung angewandt wird, aber auch im hochschuldidaktischen Kontext wahrgenommen wird (Schmidberger & Wippermann, 2017; Gómez, van Eijck, Jochems, 2013). Der Prozess des Design-Thinking wird meist in 6 Stufen eingeteilt: Verstehen, Beobachten, Sichtweise definieren, Ideen finden, Prototypen entwickeln, testen. Angeleitet von speziell ausgebildeten Coaches durchlaufen „interdisziplinäre Teams in speziell eingerichteten und variablen Räumen den […] Design-Thinking Prozess“ (Seitz 2017:9). Ein Hauptmerkmal ist dabei, dass „der Nutzer voll und ganz im Mittelpunkt des empathischen Herangehens und Entwickelns [steht] “ (ebd.).

Design-Thinking als Methode und Prozess wird im Rahmen der Projektwoche und der Ausbildung der Projekttutor.innen nicht 1:1 übernommen, sondern sinnvoll in den bestehenden PBL-Ansatz integriert. Die Tutor.innenrolle der Lernprozessbegleitung (Eder & Scholkmann 2011) wird um die Rolle der Tutor.innen als Kreativmotor erweitert. In einer 2-tägigen Tutorenschulung werden Teile des iterativen Prozesses mit den Tutor.innen simuliert und reflektiert und der Einsatz ausgewählter Kreativitätsmethoden (Brainstorming, Einführung Empathy Map, Clustern, Pitch) für die jeweilige Phase diskutiert. So sollen sie befähigt werden, das kreative Potential in ihren Projektteams frühzeitig zur Entfaltung zu bringen und den Teamarbeitsprozess strukturiert einzuleiten.

In diesem Impulsvortrag soll gezeigt werden, wie der kritisch-reflektierte Einsatz von Elementen des in der Wirtschaft bereits weit verbreiteten Design Thinking-Ansatzes in die Ausbildung von Projekttutor.innen am Fachbereich BAU integriert wurde und wie sich die Modifizierung der Tutorenrolle auf die Teamarbeit und die Ergebnisse auswirkten. 

Im Anschluss soll diskutiert werden, inwieweit Design Thinking-Methoden auch auf andere spezifische Tutor.innenqualifizierungen angewandt werden könnten.

  • Dirsch-Weigand, A. & Hampe, M. (2018). Interdisziplinäre Studienprojekte gestalten. Bielefeld: W. Bertelsmann Verlag.
  • Eder, F. & Scholkmann, A. (2011). Lehrende als Coaches. Journal Hochschuldidaktik, 22(2), 6–10.
  • Gómez Puente, S. M., van Eijck, M. & Jochems, W. (2013). A Sampled Literature Review of Design-Based learning Approaches. International Journal of Technology and Design Education, 23, 717–732. https://doi.org/10.1007/s10798-012-9212-x
  • Grots, A. & Pratschke, M. (2009). Design Thinking. Kreativität als Methode. Marketing Review St. Galle, 26, 18–23.
  • Schmidberger, I. & Wippermann, S. (2018). Design Thinking – ein Innovationsansatz für den Bildungsbereich? Pädagogische Hochschule Ludwigsburg. 
  • Seitz, T. (2017). Design Thinking und der neue Geist des Kapitalismus. Soziologische Betrachtungen einer Innovationskultur. Bielefeld: transcript.
© Dr. Guido Roessling 2018